Kanadischer Whisky

Kanada ist nicht nur reich an ungezähmter Wildnis, sondern auch an natürlichen Ressourcen wie Getreide und kristallklarem Quellwasser. Nicht verwunderlich also, dass Kanada einer der größten Whisky-Produzenten der Welt ist. Dennoch fliegt der Canadian Whisky unter dem Radar vieler Genießer. Das Gros der kanadischen Whiskys ist mild und zugänglich, doch auch im Land des Ahornblattes gibt vielfältige Genüsse zu entdecken!

Kanadischer Whisky Hintergrund

Das atemberaubend schöne und wilde Kanada, mit seinem Überfluss an klarem Quellwasser, endlosen Wäldern und Getreidefeldern, hat eine lange Whisky-Geschichte. Viele denken vermutlich bei Whisky vom amerikanischen Kontinent zuerst an Bourbon. Am besten serviert auf einem staubigen Tresen in einem Wild-West Saloon. Dabei trinken viele US-Amerikaner auch heute noch lieber Canadian Whisky, anstelle des heimischen Bourbon Whiskeys. In über 160 Ländern wird Canadian Whisky verkauft und doch ist er bis heute eine übersehene Whisky-Kategorie. Kanada orientiert sich bei seinem Whisky-Begriff an der schottischen Schreibweise ohne "e" vor dem "y". Bei Whiskey aus den USA hingegen finden wir vorwiegend die Schreibweise "Whiskey" auf den Flaschen. Der Whisky aus Kanada ist wie seine Bewohner: Freundlich und oft unterschätzt. 

Stil

Whisky aus dem sympathischen Land mit dem Ahornblatt auf der Flagge hat den Ruf, besonders weich und mild zu sein. Dies macht ihn gerade für Whisky-Neulinge, Barkeeper und Mixologists attraktiv. In vielen kanadischen Whiskys finden sich süßliche Aromen von Honig, Karamell und Ahornsirup wieder. Die Verwendung von Roggen in den meisten Canadian Whiskys sorgt für feine Gewürzaromen ähnlich Nelken und Zimt.

Herstellung

Regularien für kanadischen Whisky: Canadian Whisky muss per kanadischem Gesetz in Kanada gemaischt, destilliert und mindestens für drei Jahre gelagert werden. Er hat damit die gleiche Mindestreifezeit wie schottischer und irischer Whisky/Whiskey, unterscheidet sich jedoch in vielerlei Hinsicht von den Whisky-Stilen dieser Länder. Wie in den meisten Whisky produzierenden Ländern, muss auch Canadian Whisky mit mindestens 40 % vol. abgefüllt werden. Bei der Möglichkeit der Zugabe von geringen Mengen künstlicher Aromen unterscheidet sich der kanadische Whisky jedoch klar vom europäischen Standard. Whiskys in Kanada dürfen theoretisch Aromen oder kleine Mengen Sherry oder Obstweine hinzugefügt werden. Sie werden dann meist aber als "Whisky flavoured beverage", also "Getränk mit Whiskyaroma" ausgeschrieben. In Europa ist diese Praxis für den Whiskybegriff nicht zulässig. Und so darf bei uns nur kanadischer Whisky vertrieben werden, der den europäischen Regularien für Whisky entspricht, oder aber entsprechend gekennzeichnet ist. Whisky darf in Europa nur aus Getreide, Hefe und Wasser hergestellt worden sein. 

Wie wird Canadian Whisky produziert?

Zur Herstellung kanadischen Whiskys werden unterschiedliche Getreidesorten verwendet, zum Beispiel: Roggen, Mais, Gerste und Weizen. Die dominierenden Getreidesorten für die kanadische Whisky-Produktion sind jedoch Mais und Weizen. Warum bezeichnen nun aber die Kanadier alle ihre Whiskys als "Rye Whiskys"? Im Unterschied zu den "Straight Whiskeys" in den USA wird der Begriff Rye Whisky in Kanada für fast jeden Canadian Whisky verwendet. In den USA muss ein Straight Rye zu mindestens 51 % aus Roggen bestehen. In Kanada hingegen wird jeder Whisky, der einen gewissen Roggenanteil im Mashbill (der Getreidezusammensetzung) enthält, als Rye Whisky bezeichnet. Im Gegensatz zum Single Malt Scotch etwa, wird das verwendete Getreide in Kanada meist nicht gemälzt. Nur sehr wenige Brennereien in Kanada verwenden gemälztes Getreide, welches den Gär- und Fermentierungsprozess des Destillats unterstützt. Stattdessen werden natürliche Enzyme zugesetzt, die für die Umwandlung von Stärke in Zucker sorgen.

Das vergorene "beer" wird meist in einer "beer still" gebrannt, einer kontinuierlichen Destillation, ähnlich wie die meisten Bourbon Whiskeys in den USA oder Grain Whiskys in Schottland. Traditionelle Pot Stills, wie sie für den schottischen Single Malt verwendet werden, sind sehr selten. Durch die hochprozentige Destillation werden viele Fuselstoffe, aber auch teils aromentragende Stoffe (sog. Congeners) aus dem Destillat entfernt. Dies verleiht ihm einen besonders leichten Charakter. Es ist gängige Praxis in Kanada in einer Brennerei mehrere Sorten Whisky herzustellen. Der intensivere "Flavouring Whisky" wird mit mehr Congeners und Aromen gebrannt. Sie ähneln amerikanischem Rye oder Bourbon. Um ihnen zusätzlich Gewicht und Aromen zu verleihen, werden sie oft in gebrauchten Fässern gereift. Sie sind schwer und komplex und werden mit dem Fokus auf aromatische Tiefe destilliert. Der "Base-Whisky" ist die zweite Richtung der Produktion. Diese leichten, meist aus Mais gebrannten Whiskys, sollen dem späteren Whisky Mundgefühl und Leichtigkeit verleihen. Sie werden oft hochprozentiger destilliert und haben einen geringeren Anteil an Fuselstoffen und Aromen. Entgegen dem hartnäckigen Gerücht wird kanadischem Whisky nie neutraler Getreidebrand zugesetzt. 

Die Master Blender der Brennereien verheiraten nun ihre Whisky-Sorten und lassen sie oft gemeinsam weiterreifen. Bei der Fassreifung des Whiskys ist der Canadian Whisky flexibel. Entgegen der gängigen Methode der USA, vorwiegend frische Eichenfässer zu verwenden, werden in Kanada gerne ehemalige Bourbonfässer zur Reifung herangezogen. Der Whisky kann so länger reifen und weicher werden. Aber auch Wein-, Sherry-, Brandy- und Rumfässer kommen hin und wieder zum Einsatz, jedoch nicht im Umfang wie bei schottischem Single Malt. Im Gegensatz zu Blended Scotch Whiskys stammen viele kanadische Whiskys aus nur einer Brennerei, wenngleich sie aus unterschiedlichen Whisky-Typen kreiert wurden. Man könnte sie also als "Single Distillery Whiskys" bezeichnen, trotzdem wird in der Regel von Blended Whiskys gesprochen. Nicht zuletzt deshalb fallen rund 99 % aller kanadischen Whiskys unter die Kategorie "Blended". 

Kanadischer Whisky im Test

Diese Canadian Whiskys sollten Sie probiert haben!

Der mild-süße Crown Royal ist ein typischer Landesvertreter und der meistverkaufte Whisky Kanadas. Heute wird er in der Gimli Distillery am Lake Winnipeg hergestellt. Er wurde 1939 anlässlich des Besuchs des britischen Königs King George VI. und seiner Gemahlin in Kanada vorgestellt. Wie im Herstellungs-Teil beschrieben, wird sowohl der Flavouring Whisky als auch der Base Whisky in der Gimli Distillery produziert. Beim Genuss des Crown Royal werden Sie an Ahornsirup denken und unweigerlich in die wilden Waldlandschaften Kanadas entführt. Der Crown Royal schmeichelt der Nase mit seinem sanften Bouquet aus Aromen von Vanille, Zitrus und einer Erinnerung an frisch gebackenes Brot. Am Gaumen setzt er dezente Hinweise auf Bienenhonig, Eichenholz und Vanille, die im Abgang durch eine schön eingebettete Roggennote ergänzt werden. Ein idealer Sommer Whisky, egal ob Sie ihn pur genießen oder als Longdrink.

Der Canadian Club hat die Geschichte des Canadian Whiskys gezeichnet. Der erfolgreiche "Club Whisky" von Hiram Walker sollte ursprünglich durch den Zusatz "Canadian" in seinem Erfolg ausgebremst werden. Der von den konkurrierenden Zeitgenossen erhoffte Effekt bliebt jedoch aus. Ganz im Gegenteil machte Hiram Walker mit der Qualität seines Whiskys im 19. Jahrhundert nicht nur die eigene Marke groß, sondern verbesserte so gleich den Ruf des gesamten kanadischen Whiskys. Canadian Club ist ein sehr milder Whisky, der 12 Jahre in Eichenfässern reift. Die verschiedenen Whiskys für den Canadian Club werden bereits vor der Reifezeit vermählt und können so über einen langen Zeitraum zusammenwachsen und gemeinsam reifen. Ein besonders weicher Whisky mit süßer Vanille, Roggennoten und einigen Gewürz und Eichenaromen. Ein angenehmer Trink-Whisky wie die Kanadier ihn mögen!

Single Malt Fans sollten sich Glen Breton nicht entgehen lassen. Dieser kanadische Single Malt wird passenderweise in Nova Scotia (zu Deutsch "Neu-Schottland") produziert und stellt eine absolute Ausnahme dar. Denn ansonsten ist Single Malt in Kanada quasi nicht existent. In der Glenora Distillery wird der Glen Breton, nach schottischem Vorbild, auf klassischen Pot Stills gebrannt. Mit seinen deutlichen Karamelltönen, Heidearomen und Gewürzen stellt er einen tollen kanadischen Single Malt mit schottischer Seele dar. 

Ein absolutes Muss in Sachen Canadian Whisky ist der Lot 40. Dieser ungewöhnliche Canadian Whisky wurde auf einer Pot Still gebrannt und bringt eine Fülle von Gewürzaromen mit. Der Lot 40 stellt damit unter Beweis, dass Kanada auch volle würzige Whiskys herstellen kann. Der Lot 40 ist einer der wenigen "reinen Rye Whiskys" des Landes und wird zu 100 % aus Roggen gebrannt. 10 % sind gemälzter Roggen die restlichen 90 % ungemälzter Roggen. Dieser vollmundige Roggen Whisky strotzt nur so vor Nelken, Zimt und Sauerteigaromen. 

Geschichte

Die Geschichte des kanadischen Whiskys ist eine Erzählung von Pioniergeist und Erfindungsreichtum. Bereits Ende des 18. Jahrhunderts finden wir erste Erwähnungen über Whisky in Kanada. Zu dieser Zeit entstanden in Québec und Ontario die ersten offiziellen Whisky-Brennereien. Destilliert wurde sicherlich im kleinen Maßstab bereits fleißig zuvor, auch wenn Rum die Spirituose der Wahl war. Es waren vorwiegend die kommerziellen Getreidemühlen, die begannen ihren Überschuss zu Alkohol zu destillieren. Zu Beginn der Geschichte des kanadischen Whiskys wurde noch hauptsächlich Weizen verwendet. Erst deutsche und niederländische Siedler brachten den widerstandsfähigen Roggen aus ihrer Heimat mit, der so Eingang in die kanadische Whisky-Produktion fand. Doch hier hört die Liste der verwendeten Geitreidesorten noch nicht auf. Die auch heute noch wichtigste Getreidesorte war schon lange vor Ankunft der europäischen Siedler in Amerika von den Ureinwohnern kultiviert worden: Mais.

1801 gab es im oberen Teil Kanadas bereits 51 lizenzierte Brennereien auf nur 15.000 Siedler! Die erste bekannte Whisky-Produktion wurde im selben Jahr von John Molson mit dem Kauf einer eigenen Pot Still initiiert. Der Whisky der Molson Distillery war der erste kanadische Whisky, der es in den Export schaffte.

Mit William Gooderham, Henry Corby, Joseph E. Seagram und Hiram Walker begann der Aufstieg des Canadian Whisky. Hiram Walker, der bereits eine Brennerei in den USA in Detroit besessen hatte, verlagerte seine Whisky-Produktion auf die andere Seite des Flusses nach Windsor, Ontario. Hier entstand rund um die erfolgreiche Brennerei eine kleine Gemeinde namens "Walkerville". Walkers Whisky war besonders in den amerikanischen "Gentlemen's Clubs" des späten 19. Jahrhunderts beliebt und wurde daher als "Club Whisky" vertrieben. Paradoxerweise forderten die US-amerikanischen Konkurrenten Walker müsse seinen Whisky als "kanadisch" deklarieren, vermutlich in der Hoffnung, dies würde der Marke schaden. Gegenteilig fügte Walker 1890 der Marke stolz das Wort "Canadian" hinzu und schuf somit die noch heute weltbekannte Marke "Canadian Club". Kanada führte als erstes Land weltweit 1890 eine Mindestreifezeit von zwei Jahren für Whisky ein. Zu einer Zeit, in der Whisky teils noch wenig oder gänzlich ungereift in Tonkrügen und Fässern verkauft wurde ist dies beachtlich. Kurz darauf wurde die Mindestreifezeit auf drei Jahre erhöht. 

Der Amerikanische Bürgerkrieg brachte deutlichen Aufschwung in den kanadischen Whisky-Markt. Die qualitativ hochwertigen und bereits in Eichenfässern gereiften kanadischen Whiskys konnten in großen Mengen in die USA exportiert werden. Dieser Aufwärtstrend wurde jedoch, wie in so vielen Ländern bald gebremst. Die aufkommende Abstinenzbewegung in Kanada Anfang des 20. Jahrhunderts machte auch der kanadischen Whisky-Industrie stark zu schaffen. Wer nicht auf andere Märkte oder alternative Produkte umschwenken konnte, musste bald schließen. Als Folge dünnte die kanadische Whisky-Landschaft stark aus. Als zweiter schwerer Schlag folgte die Prohibition in den USA. Zwischen 1919 und 1933 wurde die Herstellung und der Konsum von alkoholischen Getränken in den USA unter Strafe gestellt. Der größte Exportmarkt für kanadischen Whisky brach zusammen. Dennoch gelang es einigen kanadischen Brennereien, ihren in Kanada legal gebrannten Whisky auf Schleichwegen in größerem Stil in die USA zu schmuggeln. Dort wurde er unter dem Ladentisch verkauft. Auch Al Capone nutzte den illegalen Handel mit Alkohol für seine kriminellen Machenschaften. Die Brennerei von Hiram Walker in Windsor war durch ihre Lage ideal positioniert. Direkt gegenüber von Detroit gelegen, konnte sie ihren Canadian Whisky über den Wasserweg in die USA bringen.

Ein weiterer wichtiger Player in der kanadischen Whiskygeschichte war Henry Corby. Die 1837 gegründete Corby Distillery wurde von Henry Corby Junior modernisiert und 1905 an Mortimer Davis verkauft, der 1918 ebenso die Wiser Distillery übernahm. Davis' Vertriebsleiter Harry Hatch baute ein solides Vertriebsnetzwerk in den USA auf, das die Prohibition überstand. Nach einem Streit trennten sich jedoch ihre Wege. Hatch kaufte Gooderham and Worts, einst die größten Destille Kanadas, von der heute nur noch der "Distillery District" in Toronto übrig ist, eine sehenswerte Ecke mit Cafes und Restaurants. Hatch war so erfolgreich, dass er 1926 die Walker Distillery mit der beliebten Canadian Club Marke aufkaufen konnte. 

Auch mit Joseph E. Seagram begann bereits 1883 eine Geschichte, die die Spirituosen-Branche bis heute nachhaltig beeinflusst. Aus den zwei Mühlen, die er leitete, machte der junge Kanadier mit englischen Wurzeln eine offizielle Brennerei. Noch im selben Jahr veröffentlichte er den "Seagrams 83", den ersten Blended Whisky des Landes. Der große Erfolg, besonders in den USA, führte zu einem schnellen Wachstum der Firma. Seine Söhne verkauften die Firma nach Josephs Tod 1919 an Samuel Bronfman, der sie unter dem Namen Distillers Corporation - Seagram Limited zusammenführte und 1928 eine Partnerschaft mit der größten schottischen Whiskyfirma DCL (Distillers Company Ltd.) einging. Während der Prohibition in den USA produzierte und reifte Bronfman fleißig kanadischen Whisky. Er prophezeite deren baldiges Ende und spekulierte auf eine Pole-Position am amerikanischen Markt. Sein Plan ging auf und so konnte er nach Ende der amerikanischen Prohibition 1933 rasant expandieren. Der königstreue neue Besitzer kreierte 1939 den Crown Royal anlässlich des Besuchs von König George VI. und Königin Elizabeth in ihrem Commonwealth-Staat Kanada. Die kanadische Firma war bis 2001 der größte Spirituosenkonzern der Welt und ist heute Geschichte.   

Leider sind von den gut 40 verschiedenen kanadischen Whisky-Marken außerhalb der Landesgrenzen bestenfalls der Canadian Club und der Crown Royal ein Begriff. Und von den über 200 Brennereien, die es um 1840 gab, sind nur noch rund zehn übriggeblieben. Die kanadische Whisky-Industrie konnte sich nie wirklich von der schweren Zeit der Prohibition erholen. Dennoch gehört dieses riesige Land immer noch zu den vier großen Whisky-Regionen der Welt. Der Canadian Whisky spielt auch heute noch auf den internationalen Märkten eher eine untergeordnete Rolle und dient daher vielen Genießer als Geheimtipp.